(English here)
Re-granting, um Aktivist*innen zu empowern
Interview mit Martin Wilhelm, unserem Geschäftsführer
Das von Citizens For Europe (CFE) und der Bertelsmann Stiftung initiierte „Re-granting und Micro-granting Programm“ namens „Aktionsfonds ViRaL – Vielfalt stärken, Rassismus bekämpfen, Lokal engagieren“ verbindet die Netzwerke, Expertise und Reputation einer Non-Profit-Organisation mit dem finanziellen Engagement und den Förderzielen einer Stiftung. Beide arbeiten zusammen, um diejenigen zu erreichen und zu unterstützen, die gegen Rassismus und Ausgrenzung auf lokaler Ebene und in ländlichen Gebieten kämpfen, die sich außerhalb des Stiftungsradars befinden, die keinen Rechtsstatus haben, noch nie zuvor eine Förderung erhalten haben oder diese einfach nicht anders beantragen würden. ViRaL kombiniert einen finanziellen Zuschuss von 5.000€ mit einem einjährigen, maßgeschneiderten Begleitprogramm, um die Projektträger*innen zu befähigen, ihre Projektidee wirkungsvoll zu entwickeln, zu professionalisieren und umzusetzen. ViRaL startete seine Pilotphase im März 2018 und unterstützt derzeit zehn Projekte in ganz Deutschland. Diese wurden in der ersten Runde aus mehr als 180 Projektanträgen ausgewählt.
Was war die Motivation für das Re-granting und Micro-granting System?
Auf der einen Seite stand der Anspruch der Stiftung,
– neue Zielgruppen zu erreichen,
– ihre Förderentscheidung besser mitzuteilen,
– die Unterstützung informeller Gruppen ohne Rechtsstatus zu ermöglichen,
– neben der finanziellen Unterstützung ein professionelles Empowerment-Programm anzubieten und
– Mikro-Zuschüsse zu verwalten.
Vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen in Deutschland, die eine zunehmend fragmentierte Gesellschaft offenbarten (z. B. AfD in allen Parlamenten, Unruhen in Chemnitz, Rassismus in den sozialen Medien), war es unsere Überzeugung, dass wir die Unterstützung für diejenigen, die sich gegen Rassismus sowie für eine pluralistische Gesellschaft und den sozialen Zusammenhalt engagieren, erweitern müssen. Erweitern im Sinne von Geographie (ländliche und urbane Gebiete), Zielgruppen (marginalisierte, nicht-formalisierte oder erstmalige Zuwendungsempfänger), mit einem Empowerment-Programm (Webinar, Seminare, Tech-Tools, etc.) und einer leicht zu verwaltenden finanziellen Unterstützung.
Als gemeinnütziger und zivilgesellschaftlicher Akteur auf diesem Gebiet haben wir verstanden, dass unsere Netzwerke, unsere Expertise im Themenbereich und in der Stärkung und Begleitung des Aktivismus sowie unser Ansehen und unsere Flexibilität auf administrativer Ebene für die Projektträger*innen wertvoll sind. Es ermöglicht die Stärkung des ungenutzten bürgerschaftlichen Engagements und gleichzeitig die Demokratisierung der Finanzierungsstrategie und -entscheidung. ViRaL ermöglichte auch unsere eigene Organisationsentwicklung von einem Social Business und Grant Receiver zu einem Grant Maker, der in die Basisebene der Zivilgesellschaft und des Aktivismus eingebettet ist.
Wer sind Ihre Stipendiaten, wie haben Sie sie gefunden und wie unterstützen Sie sie?
Die Stipendiaten sind sowohl informelle Gruppen als auch etablierte gemeinnützige Vereine, die sich auf lokaler Ebene engagieren, um die Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt zu fördern und Rassismus und Ausgrenzung zu bekämpfen. Zu den Förderern gehören auch von Rassismus betroffene Gruppen, hier entfaltet sich ViRaL auch als Empowerment-Programm. Die Hälfte der Projekte wird in ländlichen Gebieten durchgeführt, die andere Hälfte in städtischen Gebieten. Um unsere Zielgruppe zu identifizieren und zu erreichen, haben wir deutschlandweit etwa 100 Organisationen recherchiert und kontaktiert, von denen wir wussten, dass sie in dem geografischen Gebiet, insbesondere im ländlichen Raum, in dem sie tätig sind, recht starke Netzwerke haben. Wir haben die kontaktierten Organisationen eingeladen, als Multiplikatoren zu fungieren und ihre Communities über den Bewerbungsaufruf zu informieren, ihnen Poster zur Verfügung gestellt, um über den Aufruf zu informieren, und feste Telefonsprechstunden pro Woche eingerichtet, sowohl für potenzielle Bewerber*innen als auch für Multiplikator*innen. Das Feedback der Organisationen war fantastisch und diese Verbreitungspraxis führte zu mehr als 180 Bewerbungen bei der ersten Ausschreibung von ViRaL.
ViRaL unterstützt die Projekte finanziell mit 5.000€ in bar und mit einem maßgeschneiderten Bildungsprogramm, das darauf abzielt, die Gruppen zu befähigen, ihre Professionalität auf inhaltlicher und projektbezogener Ebene zu steigern. Dieses Programm umfasst Workshops, Webinare, Podcasts, Expertengespräche, Inhouse-Seminare und vieles mehr. Dazu gehören Themen wie Datenschutz, menschliche Sicherheit, Kommunikation, Antirassismus und Finanzierung.
Wie haben Sie ViRaL finanziell verwaltet, um informelle Gruppen zu unterstützen?
Wir haben bei unserer Bank Unterkonten eingerichtet, die jeweils mit einem unterstützten Projekt verbunden sind. Der Projektverantwortliche hätte Einsicht in dieses Konto und könnte Transaktionen verfolgen. Sobald ein Kostenvoranschlag erstellt und die entsprechende Rechnung vom Projektverantwortlichen vorgelegt wird, wird eine Transaktion aus dem Unterkonto von ViRaL direkt an den Dienstleister durchgeführt. Somit wird die Verantwortung für die Finanzdokumentation mit dem Projektträger geteilt. Die Berichterstattung an die Finanzbehörden nach den Non-Profit-Regeln erfolgt durch die ViRaL. Dies begrenzt die Belastung für nicht-formale Gruppen und ermöglicht ihnen die Teilnahme am Förderprogramm.
Wie planen Sie, Ihre Aktivitäten zur Re-granting und Micro-granting zu entwickeln?
Wir wollen unsere Erfahrung als gemeinnützige und aktive Organisation im Bereich der Re-granting und Micro-granting erweitern und sie Stiftungen und Philanthrop*innen anbieten. Wir sehen ein großes Potenzial in der Zusammenarbeit von Geldgebern und gemeinnützigen Organisationen bei der Konzeption und Umsetzung eines Förderprogramms. Es bringt die Vorteile beider Welten zusammen, was Netzwerke, Reputation, Personalwesen, thematische Expertise, Sichtbarkeit, Flexibilität und vieles mehr betrifft. Es ermöglicht es den Geldgebern, ihre Rolle und Wirkung als Philanthropen zu überdenken und weiterzuentwickeln. Zudem ermöglicht es gemeinnützigen Organisationen, ihre Erfahrungen als zivilgesellschaftlicher Akteur auf diesem Gebiet sichtbarer zu machen und damit widerstandsfähiger zu werden, auch finanziell im Sinne einer Chance auf ein Social Business.
What was the motivation behind the re-granting and micro-granting scheme?
It was, on the one side, the demand by the foundation to
- reach out to new target groups,
- better inform their funding decision,
- allow for the support of informal groups without a legal status,
- provide a professional empowerment program alongside financial support, and
- administrate micro-grants.
Before the background of the latest developments in Germany, that exposed an increasingly fragmented society (e.g., AfD in all parliaments, riots in Chemnitz, racism in social media), it was our conviction that we need to broaden the support to those who engage against racism and for a pluralistic society and social cohesion. Broaden in the sense of geography (rural and local areas), target groups (marginalized, non-formalized or first-time-grantees), and with an empowerment program (webinar, seminars, tech-tools, etc.) and financial support that can easily be administered.
As a non-profit and civil society actor in the field we understood that our networks, our expertise in the thematic area and in empowering and accompanying activism, as well as our reputation and our flexibility on administrative level is valuable for grant makers. It enables the strengthening of untapped civic engagement and at the same time to democratizes funding strategy and decision-making. ViRaL also allowed for our own organizational development from a social business and grant receiver to a grant maker embedded in the grassroots level of civil society and activism.
Who are your grantees, how did you find them and how do you support them?
Grantees are both informal groups and established non-profit associations that are engaged at the local level to promote recognition and appreciation of diversity and to fight racism and exclusion. Grantees also include groups that are affected by racism, here ViRaL unfolds also as an empowerment program. Half of the projects are implemented in rural areas, half of them in urban areas. To identify and reach our target group we researched and contacted about 100 organizations across Germany that we knew have rather strong networks in the geographic area, especially rural area, in which they operate. We invited the contacted organizations to act as multipliers and inform their communities about the call for application, provided them with posters to disseminate about the call and set up fixed phone consultation hours per week, both for potential applicants and multipliers. The feedback from the organizations was fantastic and this dissemination practice lead to more than 180 applications in ViRaL’s first-ever call.
ViRaL supports the projects financially with 5.000€ in cash and with a tailored educational program that aims at empowering the groups to increase their professionality on the content and project management level. This program includes workshops, webinars, podcasts, consultations with experts, in-house seminars and much more. They include topics such as data protection, human safety, communication, anti-racism and funding.
How did you financially administer ViRaL to support informal groups?
We established sub-accounts at our bank, each connected to one supported project. The project owner would have viewing access to this account and be able to follow transactions. As soon as a cost is generated and the corresponding invoice is presented by the project owner, a transaction from the sub-account is executed by ViRaL, directly to the service provider. Thus, the responsibility for the financial documentation is shared with the project owner. The reporting to the financial authorities along the non-profit rules lies with ViRaL. This limits the burden for non-formal groups and allows them to participate in the grant-scheme.
How do you plan to develop your re-granting and micro-granting activities?
We want to scale our experience as non-profit and activists organization in the field of re-granting and micro-granting and offer it to foundations and philanthropists. We see a huge potential in the collaboration of funders and non-profits in designing and implementing a granting scheme. It brings the advantages of both worlds together, concerning networks, reputation, human resources, thematic expertise, visibility, flexibility and much more. It allows funders to re-think and further develop their role and impact as philanthropists. It allows non-profits to make their experience as a civil society actor in the field more visible, allowing them to become more resilient, also financially in the sense of a social business opportunity.