Teilnehmergruppe Workshop Rassismuskritik in Sundern

Workshop „Diskriminierungskritische Haltung und rassismuskritisches Handeln“ – Sundern, 23.03.2019

Die von uns finanzierten Projekte unterstützen wir unter anderem durch Workshops zu ihren jeweiligen Bedarfen. Das Bündnis Vielfalt und Toleranz in der Stadt Sundern hat sich für das Thema Rassismuskritik entschieden. Geleitet wurde der Workshop von Nenad Čupić. Wir haben sie im Nachhinein zu ihren Eindrücken und Erfahrungen befragt.

Was war das Thema Eures Workshops? Womit habt Ihr Euch beschäftigt?

Die Fragestellung, mit der wir begannen, war: Wie kann ich Rassismus wahrnehmen?

Im Verlauf haben wir uns damit beschäftigt wie eine diskriminierungskritische Haltung konkret aussehen kann, wie wir Sprache als Machtpraxis kritisch reflektieren können. Hinzu kam, dass wir zu Alltagsrassismus und die Schwierigkeit diesen zu thematisieren, gearbeitet haben.

Wir haben uns intensiv mit der Entstehung des Rassismus ausgehend von dem Beginn des europäischen Kolonialismus und der Versklavung im 15. Jahrhundert, mit besonderem Blick auf die deutsche Kolonialgeschichte beschäftigt. Die Definition von Rassismus wurde unter Hinzuziehung der vier Phänomenen erläutert: Prozess der Rassifizierung, Gruppenkonstruktion, Zuschreibungen, Vorurteile, und Wertungen sowie gesellschaftliche Macht. Weiterhin haben wir in Gruppenarbeit erarbeitet wie wir als Einzelpersonen in unserem Umfeld mit Rassismus konfrontiert sind und damit umgehen sowie was wir als Bündnis weiter anstoßen und anbieten können.

Was habt Ihr Neues gelernt und mitgenommen?

Wir haben gelernt, wie sich der Rassismus seit dem 15. Jahrhundert entwickelt hat. Wir haben verstanden worauf der heutige Rassismus beruht. Das erfahrene Wissen, wird dazu beitragen, dass wir künftig Schwarzen Menschen, People of Colour bzw. Menschen, die unter bestimmten Zuschreibungen leiden, reflektierter begegnen werden.

Wir sind durch den Workshop sensibilisiert worden, Rassismus besser zu erkennen. Und wir haben mitgenommen, dass jeder von uns dazu beitragen kann, den Alltag weniger rassistisch zu gestalten.

Was hat Euch besonders gefallen?

Die gute, durchgehend interessierte Stimmung in der Gruppe. Diese wurde ermöglicht, weil der Referent auf den Wissensstand der Gruppe eingegangen ist, keine komplizierten fachwissenschaftlichen Vorträge gehalten hat, sondern entsprechend der Gruppe in verschiedenen Formaten Input gegeben hat bzw. im Austausch mit der Gruppe Fragestellungen bearbeitet hat.

Inwiefern hat der Workshop Euch in Eurer Arbeit als Bündnis unterstützt?

Wir konnten unser eigenes Wissen zum Thema Rassimuskritik deutlich vermehren und unser bestehendes Wissen kritisch hinterfragen. Der Workshop hat uns in der Wahrnehmung bestätigt, dass das Thema Rassismuskritik ein Thema ist, das viele Menschen in unserer Kommune ansprechen kann. Das ermutigt uns dazu weitere Veranstaltungen zum Thema durchzuführen.

Welche Personen haben teilgenommen? Wen konntet Ihr außerhalb Eures Bündnisses ansprechen?

Wir haben versucht neben aktiven Bündismitgliedern auch Multiplikatoren aus der ehren- und hauptamtlichen Integrationsarbeit, aus Schulen, der Jugendarbeit, der Stadtverwaltung und der lokalen Wirtschaft einzubinden. Letztendlich setze sich die Gruppe zu etwa einem Drittel aus Mitarbeitern der ehrenamtlichen Integrationsarbeit, der Stadtverwaltung und dem Bündnis Vielfalt und Toleranz zusammen.

ViRaLfonds-Webinar: „Von der Idee zum Projektantrag – Antragstellung für kleine Organisationen“

Eine tolle Projektidee macht nicht automatisch einen guten Projektantrag. Eine Idee in einem Antrag so darzustellen, dass sie für den Fördermittelgeber gut nachzuvollziehen ist und diesen überzeugt, ist eine Herausforderung. Das Webinar wirft einen Blick auf die Antragsstellung von der Analyse der Ausschreibung bis zur Einreichung des Antrags: Was gehört alles in einen Antrag? Welche Methoden gibt es, um den Bedarf des Projektes aufzuzeigen? Wie formuliert man gute Projektziele? Worauf ist bei der Selbstdarstellung der Organisation zu achten? Und wie sieht ein guter Kostenplan aus?

Expertin: Barbara Canton, Projekleiterin bei House of Resources of Berlin, das unterschiedliche Unterstützungen kostenfrei für Organisationen anbietet, die sich zum Thema der pluralen Gesellschaft und Vielfalt engagieren.

Dieses Webinar ist Teil des Begleitprogramms von ViRaL. Mit dem Aktionsfonds ViRal unterstützen wir Projekträger*innen sowohl finanziell als auch inhaltlich.

Unser erster Podcast ist online!

#ViRaLfonds-Podcast zum Thema Finanzierung.
Gerade für informelle Gruppen und kleinere Akteure ohne hauptamtliche und professionalisierte Strukturen ist die Finanzierung Ihrer Aktionen und Ideen eine besondere Herausforderung – auch weil Ihnen oft die Kapazitäten und Erfahrungen fehlen mit etablierten Organisationen mitzuhalten oder die aufwendigen Antragsprozesse zu bewältigen. Auf welche Strategien, Quellen und Unterstützung können informelle Gruppen und kleinere Akteure zurückgreifen um die Herausforderungen der Finanzierung anzugehen? Diese Frage beantworten wir in unserem ersten Podcast, der Teil des Begleitprogramms von ViRaL ist.

Moderation: Martin Wilhelm, Geschäftsführer von Citizens For Europe
Expertin: Barbara Canton, Projekleiterin bei House of Resources Berlin.
Technik: Sara Roumette, Radiojournalistin

Dieser Podcast wird mit einem Webinar zum Thema Antragsstellung ergänzt. (am 08. April 2019).

Weitere Podcasts und Webinare zu den Themen „Decolonize Activism“ und „Sicher gegen rechte Gewalt“ werden in den nächsten zwei Monaten aufgenommen.

Auf unserer Resourcen-Seite stellen wir weitere Ressourcen zur Verfügung, die die ViRaL-Träger*innen sowie andere informelle Gruppen und kleine Vereine bei ihrer engagierten Arbeit gegen Rassismus und für die Stärkung von Vielfalt unterstützen. Auf der Seite, die wir regelmäßig mit neuen Inhalten pflegen werden, befinden sich zahlreiche Inhalte, informative Texte, Podcasts, Webinare und Videos rund um die Themen Rassismus, Aktivismus, Finanzierung und Rechtliches.

 

Feminismus aus einer Geflüchteten-Perspektive

Women in Exile and Friends, Postdam, Brandenburg.

„Enough is enough!“ („Genug ist genug!“) – Unter diesem Motto begingen die Aktivistinnen von Women in Exile dieses Jahr den Frauenkampftag. Immer wieder schallte die Parole über die Lautsprecher des Demo-Wagens, der am 8. März durch die Potsdamer Innenstadt rollte. Mit ihr verbunden, die Forderung nach Gleichberechtigung und Anerkennung, sowie besseren Arbeits- und Lebensbedingungen für Frauen. Die Demonstration anlässlich des Feiertages, zu der sich trotz des schlechten Wetters und der Sturmwarnung etwa 250 engagierte Demonstrant*innen zusammenfanden, war ein voller Erfolg für die Veranstalter*innen. „The turnout was a positive surprise!“ (Die Anzahl der Anwesenden war eine positive Überraschung!), erzählt mir Doris, eine der Frauen, die den Tag mit organisiert haben.

Initiiert wurde die Demo und der sogenannte Frauen-Streik von der durch ViRaL geförderten Gruppe Women in Exile, in Kooperation mit der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union Potsdam und der Linksjugend [solid] Brandenburg und mit Unterstützung durch den Asta der Uni Potsdam.

Frauenrechte – Menschenrechte, Geflüchtetenrechte – Menschenrechte

Women in Exile ist eine Selbstorganisation von geflüchteten Frauen und lokalen freiwilligen Helferinnen – die „&friends“ – die sich für die Verbesserung der Lebensumstände und Chancen von geflüchteten Frauen und ihren Kindern in Deutschland einsetzen. Die Gruppe entstand 2015 im Rahmen der Protest-Besetzung des Oranienplatzes in Berlin. Seitdem arbeitet sie für eine Anerkennung der besonderen Mehrfachdiskriminierung unter welcher die Refugee Women leiden, als rassistisch und sexistisch diskriminierte Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus. Obwohl die Gruppe in ganz Deutschland vernetzt ist, hat sie ihr Büro und viele Mitglieder in Potsdam, wo auch die Demonstration stattfand. Viele der Frauen aus der Gruppe beteiligten sich aktiv, indem sie bei der Organisation halfen, mitreißende Reden hielten oder einfach Präsenz zeigten. Einige Mitglieder und Unterstützer*innen waren sogar eigens aus Berlin und dem Umland angereist.

Demo Frauentag_women in Exile

Nach erfolgreich abgeschlossener Demonstration kehrte die Truppe mit nunmehr einem kleineren Kreis geflüchteter Frauen und ihren Kindern in das Kulturzentrum Freiland ein. Hier hatte das Kollektiv unter anderem eine mobile Ausstellung errichtet. Die Ausstellung thematisierte die Women in Exiles Bustour des vergangenen Sommers, bei welcher sich die Frauen auf eine Rundreise durch ganz Deutschland begeben hatten, um sich zu vernetzen, Workshops und Kundgebungen zu halten und sich gegenseitig Kraft zu geben. Die Erfahrungen und Erinnerungen in Form von Texten und Fotos erzählten Geschichten von Empowerment durch vereinte Kraft und hatten eine klare gemeinsame Botschaft: „Women‘s rights – human rights, refugee‘s rights – human rights. Stop deportation!“ (Frauenrechte – Menschenrechte, Geflüchtetenrechte – Menschenrechte. Stoppt Abschiebungen!)

Gleich, gleich, aber anders, wir kämpfen die selben Kämpfe!

Nachdem sich alle eingefunden hatten, aufgegessen war und ein Geburtstagsständchen für eine der Frauen gesungen wurde, begann der im Rahmen vom Aktionsfonds ViRaL organisierte Workshop für geflüchtete Frauen zum Thema Feminismus aus einer Geflüchteten-Perspektive. Warum feiern wir überhaupt den 8. März? Wofür gehen wir auf die Straße? Ziel dieses Workshops war es die Frauen durch das Sprechen über diese Fragen und das Teilen weiterer essentieller Informationen zu empowern und ihnen die Möglichkeit zu bieten ihre eigenen Perspektiven mit feministischen Ideen in Verbindung zu bringen.

Das Konzept für diesen Workshop hatte das Kollektiv in offenen Diskussionsrunden entwickelt, immer entlang der Frage nach dem Wichtigsten was die Frauen gerade wissen müssen. Die Antwort: Ihre gemeinsame Stärke zu realisieren und den Frauenkampf als einen Kampf aller Frauen zu erkennen! „Same, same but different, we are battling for the same fights!“ (Gleich, gleich, aber anders, wir kämpfen dieselben Kämpfe!), erklärt Doris, die den Workshop zusammen mit zwei Kolleginnen geführt hat. Und der Workshop kam gut an. Viele der teilnehmenden Frauen dankten der Gruppe für die Organisation und baten um weitere Informationsworkshops! Eine geflüchtete Frau aus Somalia sei nur zufällig zu der Veranstaltung gestoßen und war so inspiriert, dass Women in Exile mit ihr am gleichen Tag ein neues Mitglied gewann.

Autorin: Charlotte Bechert

Workshop Women in Exile

Webseite: www.women-in-exile.net

Facebook: Women in exile & friends

Von dem Wunsch anzukommen

Baden baden schreibt ein Buch.

„Es war mir ein persönliches Anliegen, meine Geschichte zu teilen“, sagt mir Hans, als wir nach der Veranstaltung über seine Entscheidung, an dem Projekt „Baden-Baden schreibt ein Buch“ teilzunehmen, sprechen.

Am 20.01.2019 stand Hans zusammen mit Sepideh, Conny, Ingeborg, Jutta, Aida, Perwin, Marija, Katalin, Khalil, Skender, Hatixhe, Midia, Almula, Jutta, Karin, und Eva auf der Bühne des Boenhoeffer Saals in Baden-Baden und teilte seine Fluchtgeschichte mit dem Publikum. Hans ist 1969 aus der DDR geflüchtet. Über Dänemark und dank der Hilfe eines fremden Dänen gelang es ihm nach Westen zu flüchten. Ohne diesen fremden Mann, der ihm seine Hilfe und seinen Schutz bat, hätte es Hans vielleicht nicht geschafft, beziehungsweise wäre möglicherweise verhaftet worden.

Seine Geschichte zu teilen schien ihm gerade heute wichtig, weil sie als Beweis gelten kann, dass Flucht kein neues oder sonderbares Phänomen ist. Seit 2015 unterstützt Hans neuankommenden Geflüchtete in Baden-Baden.

Im Rahmen von „Baden-Baden schreibt ein Buch“, einem Projekt des Arbeitskreises Stolpersteine in Baden-Baden, organisiert von Angelika Schindler, Petra Mallwitz und Ulla Hocker, werden Schreibworkshops angeboten, um Menschen mit Fluchterfahrung die Verschriftlichung ihrer Geschichte zu ermöglichen. Die Texte werden nach und nach als Feuilleton in der lokalen Zeitung, dem Badischen Tagblatt veröffentlicht, und sollen zudem als Sammelband erscheinen.

Alle Rechte: Aktionsfonds ViRaL

All ihre Fluchtgeschichten sind unterschiedlich. Jutta ist 1945 als Kind aus Pommern geflohen, Hatixhe und Katalin sind ihren Partnern nachgekommen. Midia, aus Syrien, hat den Weg von der Türkei nach Deutschland alleine geschafft und ihre Familie nachgeholt. Marija ist vor der Gewalt ihres Vaters geflohen – eine Erinnerung daran, dass nicht nur Krieg oder politische Verfolgung eine Flucht notwendig machen können. Khalil und Hans sind übers Meer geflohen – jedoch saß Hans dabei nicht in einen Schlauchboot. Jutta fühlte sich in ihrer neuen Schulklasse in Südbaden fremd. Perwin fühlte sich endlich willkommen – in der Türkei hatte sie als syrische Kurdin in keiner Schule Sicherheit gefunden und fünf Jahre lang keine besuchen können.

Aber die meisten Geschichten haben eins gemeinsam: eine gewisse Isolation. Diese Begann oft schon vor der Flucht, zuerst durch die Geheimhaltung: viele konnten von ihren Fluchtplänen niemandem erzählen – auch den Eltern nicht. Das Angekommen sein ist ein wichtiger Moment, der die Isolation jedoch nicht ganz bricht. So sagt Sepideh, dass sie sich in Baden-Baden zwar sehr wohl fühle, dass ihr die Dankbarkeit, welche sie für ihre Freiheit empfinde und welche sie möglicherweise, von den Badensern, die schon ihr ganzes Leben an diesem Ort lebten unterscheide, daran hindere, sich wirklich zugehörig zu fühlen. Ausserdem kam sie sich mit ihrer Geschichte immer sonderbar vor. Das Projekt hat die Unsichtbarkeit vieler Fluchtgeschichten und das Geheimnis um sie aufgebrochen. Sepideh sagt, sie blickt heute anders auf die ihr fremde Menschen in Baden-Baden, und auf die Stadt selbst.

Die Bühne wird mit einer Klanginstallation eröffnet. Die Künstlerin Rike Scheffler hat für das sechs-minütige Stück „Von dem Wunsch anzukommen“, Zitate der Autor*innen und Musik zu einem 3-dimensionalen Klangwerk geschnitten. Hier können Sie es nachhören.

Circa 300 Menschen kamen am 20.01 zu einer der zwei Lesungen. Viel mehr Menschen dürften, dank der Veröffentlichung der Beiträge in der Zeitung, die Geschichten der Autor*innen kennengelernt haben. Das Projekt geht weiter mit der Arbeit an dem Buch selbst, vielleicht auch darüber hinaus. Khalil Khalil skizziert eine Auseinandersetzung mit Sprache vor – Begriffe wie „Flüchtlingswelle“ oder überhaupt „Flüchtlinge“ würde er gerne kritisch untersuchen.

Nicht alle Autor*innen konnten am 20.01 auf der Bühne stehen. Manche waren ganz einfach aus gesundheitlichen Gründen verhindert, doch Andere fühlten sich in Baden-Baden noch immer nicht sicher genug und sahen sich nicht als angekommen an. Sie fürchteten zum Teil einen negativen Einfluss auf ihre noch offenen Asylverfahren.

Alle Rechte: Aktionsfond ViRaL

Autorin: Lucile G.

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Sundern fragt: „Was lehrt uns die Geschichte, Frau Himmler?

Vielfalt und Toleranz – Sundern kann’s

In der alten Molkerei in Sundern (Sauerland) wurden gerade noch mehr Stühle geholt. Knapp hundert Personen sitzen im Saal, wo gleich der Film „Meine Familie, die Nazis und ich“ gezeigt wird. Im Anschluss steht eine der Protagonist*innen des Filmes für ein Gespräch mit dem Publikum zur Verfügung: die Autorin und Historikerin Katrin Himmler, Großnichte des Reichsführers SS und Organisators des Holocausts, Heinrich Himmler.

Der Abend ist der letzte einer Veranstaltungsreihe, die das Bündnis für Vielfalt und Toleranz in der Stadt Sundern organisiert. „Jedes Mal mussten wir mehr Stühle holen!“, freut sich Irmgard Harmann-Schütz, eine unserer Ansprechpartner*innen aus dem Bündnis. Für dieses allererste Event der Veranstaltungsreihe nahm sich das Bündnis den Gedenktag an die Reichspogromnacht am 9.11.1938 zum Anlass. Dass sämtliche Veranstaltungen so gut besucht waren, bestärkt das relativ neu gegründete Bündnis in ihrem Vorhaben. „Es sind Menschen hierher gekommen, die man noch gar nicht kannte“, bemerken Irmgard und ihr Bündniskollege Serhat Sarikaya. In der Kleinstadt mit 3000 Einwohner*innen sei auch das ein wichtiges Zeichnen, dass sich da gerade etwas bewege. „Ich merke, dass ich als Teil des Bündnisses als Person wahrgenommen werde und aus dieser Position heraus eher Menschen für Sachen gewinnen kann, als wenn ich das als Politikerin versucht habe“, sagt Irmgard.

Mehr als 100 Personen in der alten Molkerei

Auf dem Weg zur Veranstaltung erzählt Sehrat die Geschichte des Bündnisses. Ein Sunderaner sei im letzten Jahr an seiner Schule rassistisch gemobbt worden. Daraufhin schaltete sich eine Person ein, die dabei eine Notwendigkeit für antirassistische Arbeit in Sundern erkannte. Ihre Initiative traf auf eine andere, die zum 80. Gedenktag an die Pogromnacht etwas organisieren wollte. Kurz danach nahm eine Person den Aufruf unseres Aktionsfonds zur Kenntnis und das frisch gegründete Bündnis stellte als allererste Aktion einen Antrag bei uns.

Jetzt sitzen also mehr als 100 Personen in der alten Molkerei und schauen sich den Film an. Im Film von Chanoch Ze’evi kommen Menschen vor, deren Eltern, Großeltern oder andere Familienmitglieder eine enorme Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus tragen. Der Film zeigt sie dabei, wie sie mit dieser Vergangenheit umgehen. Es ist äußerst unangenehm, sie dabei zu beobachten und zuzuhören. Der Film kann übrigens hier online kostenlos gestreamt werden:

Nach der Pause wird Katrin Himmler gefragt, wie ihre Arbeit in ihrer Familie ankam. Katrin Himmler ist die Großnichte des Reichsführers SS und Organisators des Holocaust, Heinrich Himmler. Dies, und auch das, was er getan hatte, wusste sie schon immer, sagt sie. In der Recherchearbeit, woraus ihr Buch „Die Brüder Himmler: Eine deutsche Familiengeschichte“ entstand, setzte sie sich aber mit der Geschichte der gesamten Familie auseinander. Bis zu ihren Recherchen wurde in der Familie mit einer Version der Geschichte gelebt, in welcher Heinrich als Alleingänger dargestellt wurde. Mit ihrer Recherche enttarnte Katrin Himmler die Nazi-Überzeugung seiner Eltern und Brüder.

Im Film thematisierte Niklas Frank, ein weiterer Protagonist, die autoritäre, kühle Erziehung und die bedingungsvolle Liebe, die er von seinen Eltern bekommen hatte. Die Frage steht im Raum, inwiefern dieser Erziehungstil auch jenseits des engsten Kreises um Hitler verbreitet war – Menschen aus dem Publikum haben auch eine ähnliche Erziehung erlebt.

Am nächsten Vormittag liest Katrin Himmler in einer Schulaula aus ihrem Buch vor. Im Publikum sitzen ca. 200 Gymnasiast*innen und Realschüler*innen. Im Vergleich zum vorigen Abend wird sehr bald die Frage gestellt, inwiefern Parallelen zwischen damals und heute gezogen werden können. Es entwickelt sich ein Gespräch über individuelle Handlungsfähigkeiten: wie geht man gegen rassistische Äußerungen im eigenen Umfeld vor? Auch in Sundern lasse sich die neue Organisation der Rechten Kräfte und die neue Prägung ihrer Diskurse spüren, hatte mir Serhat am vorigen Abend erzählt – bisher vor allem „auf dem Papier“ und in sozialen Medien.

Die zwei Stunden gehen rasch um – es müsste bestimmt noch viel gesagt werden. Wahrscheinlich führen die Geschichtslehrer*innen, die die Veranstaltung mitorganisiert haben, die Diskussion im Klassenzimmer weiter. Das Bündnis wird auch aktiv bleiben. Einige Aktionen sind schon in der Planung, andere werden sich noch ergeben. „Dank der Förderung durch ViRaL sind wir als neues Bündnis an keinen festen Plan gebunden – wir können kurzfristig neue Partnerschaften schließen und unsere Aktionen so erweitern, das ist sehr hilfreich“, sagt mir Serhat.

Autorin: Lucile G.

Kick-Off #ViRaLfonds: Gemeinsam über und gegen Rassismus!

Kick-Off: Gemeinsam über und gegen Rassismus!

Am 22. und 23. September 2018 fand das Kick-Off Treffen des Pilotprojekts Aktionsfonds ViRaL – Vielfalt stärken, Rassismus bekämpfen, Lokal engagieren – in der Berliner Stadtmission statt, bei dem Vertreter*innen der 10 geförderten Projekte aus ganz Deutschland zusammenkamen. Neben dem Austausch mit und zwischen den Teilnehmer*innen nahm die Auseinandersetzung mit Rassismus und Empowerment eine zentrale Rolle ein.

Hier berichten wir über diese zwei spannenden Tage.

„Damit wir Rassismus wirkungsvoll bekämpfen können, ist es wichtig zu verstehen, was Rassismus ist, und wie dieser funktioniert“, betont Lucile, Projektkoordinatorin vom Aktionsfonds ViRaL. Um dieses rassismussensible Grundverständnis zu entwickeln, haben wir Expert*innen eingeladen, zwei interaktive Workshops zu konzipieren und durchzuführen, die den Beginn des Kick-Offs am Samstag markierten.
Eine*n  freie*r Trainer*in im Bereich Weißsein/Rassismus- und Kolonialismuskritik lud Teilnehmer*innen ein, den Begriff Rassismus unter die Lupe zu nehmen, sich Gedanken zu machen, inwiefern Rassismus eine Rolle in ihrem Leben spielt, und mit Hilfe vom Privilegientest über ihre eigene Position zu reflektieren.
Gleichzeitig fand ein zweistündiger Empowerementworkshop für Schwarze Menschen und
People of Color statt, den die Trainerin Ely Almeida Rist leitete. In diesem Raum ging es um die Erfahrungen und Überlegungen, die viele Teilnehmer*innen des Kick-offs aufgrund von Rassismus (sich) machen müss(t)en.

Loben, kritisieren, beraten, sich kennenlernen!

Nach dem Workshop war der Wunsch groß, sich mit den Expert*innen weiterhin mit Rassismus auseinanderzusetzen. Anschließend ging es mit der Vorstellung der Projekte vom Aktionsfonds ViRaL. Für diesen Austausch hatte das ViRaL-Team ein interaktives Rollenspiel konzipiert. Die Methode setzte für das Feedback einen klaren Rahmen und erlaubte der Projektträger*innen, sich auf das Feedback aus unterschiedlichen Perspektiven einzulassen.

Ideen für die Projektbegleitung sammeln

Am zweiten Tag des Kick-Offs ging es um die Gestaltung der bilateralen Zusammenarbeit zwischen den Projektträger*innen und dem ViRaL-Team. „Wir bemühen uns, eine Sprache zu verwenden, welche einerseits Diskriminierungen abbaut, Vielfalt als Normalität anerkannt, und andererseits reale Diskriminierungserfahrungen sichtbar macht. Wir bitten Euch darum, uns dabei zu unterstützen!“, erklärte Lucile bei ihrer Präsentation über diskriminierungsensibler Sprache.

Da der Aktionsfonds nicht nur eine finanzielle Unterstützung sondern auch eine intensive Projektbegleitung leistet, um die Bereitschaft und Fähigkeit zum gesellschaftlichen Engagement zu stärken, sammelte das ViRaL-Team Ideen und Bedürfnisse der Teilnehmer*innen für zukünftige Begleitungsangebote.

Den Teilnehmer*innen ging es um Fördermittel, rechtliche Beratung, Kommunikation, weitere Seminare zum Thema Rassismus und Intersektionalität, sowie um Datenschutz und persönliche Sicherheit angesichts der rechtsextremen Gewalt.

In den nächsten Monaten wird das ViRaL-Team ein Begleitprogramm mit verschiedenen Formaten entwickeln, um die Bedürfnisse der Projektträger*innen zu erfüllen und sie dadurch zu stärken.

Autorinnen: Séverine Lenglet, Lucile
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Projekt 7/10: Eine Stadt schreibt ein Buch

Baden-Baden schreibt ein Buch! – Baden-Baden, Baden-Württemberg

Baden-Baden ist seit 1945 immer wieder zum Zufluchtsort für Menschen geworden, die ihre Heimat verlassen mussten. Manche sind schon vor Jahrzehnten gekommen, für andere ist der Ort eine vorläufige Bleibe, an dem sie noch keine Wurzeln geschlagen haben.

Ihre Geschichten haben ihren Ursprung zwar zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in verschiedenen Ländern, aber sie teilen viele Erfahrungen. Im Rahmen des Projekts „Eine Stadt schreibt ein Buch“ haben Baden-Badener mit Flucht- oder Migrationserfahrungen in einer Schreibwerkstadt emotionale Schlüsselmomente zusammengetragen.

So erhalten sie die Möglichkeit, ihre Geschichten zu teilen und einen gemeinsamen Identifikationsort in Baden-Baden zu schaffen.

Jetzt sollen die Ergebnisse veröffentlicht werden! Für 2019 sind inszenierte Lesungen und eine Publikation geplant.

Eine begehbare Klanginstallation ergänzt die szenischen Lesungen: auf einer Bodenfolie sind Zitate der Geflüchteten nachzulesen und in einer mehrsprachigen Soundinstallation zu hören. So können die Zuhörer*innen selbst zu den Worten der Erzähler*innen gehen. Durch die Surround-Sound-Umsetzung entsteht der Eindruck, mitten in ihrer Welt zu stehen.

2019 erscheinen die Texte in Buchform. Die Stadtgeschichte wird aus einer neuen Perspektive erzählt. Am Beispiel des Mikrokosmos Baden-Baden wird deutlich, dass Migration auch Teil der eigenen Historie ist.

Mehr Informationen hier

Projekt 5/10: Women* Breaking Borders

Bild: Women in Exile. All rights reserved.

Women* Breaking Borders – Women in Exile and Friends, Postdam, Brandenburg

„Our goal is to empower women living in the lagers of Brandenburg and when possible Germany wide. Women are facing racism and all kind of violations of their basic rights. In most cases they are not aware of it, or they don’t know how to fight for them due to different kind of obstacles like languages barriers, isolation or fear.

Through empowerment workshops, we want women to share their experiences of everyday living in the lagers as well as give them tools to fight for their rights. We believe that by gathering and opening a space to speak out isolation can be broken and that empowerment can be gained by getting to know other women, sharing their experiences and the information they have.

Informations about the rights in Germany will be provided in the workshops by experts, so will contacts to organizations supporting refugees or organization covering other kind of situations which specially affect women, like sexual violence, harassment, health.

On the other hand, we will also organize an event around the Bus Tour that took place this Summer 2018 around south Germany to share the experience and information that we gathered during the Bus Tour with the women, as a way of breaking isolation and also transmitting the power of self-organization.“

Facebook: Women in exile & friends

Waldritter, Herten, NRW

Projekt 4/10: Hass ist krass, Liebe ist krasser!

„Hass ist krass, Liebe ist krasser!“ – die Waldritter, Herten, NRW

„In einschlägigen Internetforen und Social-Media-Gruppen die im Zusammenhang mit der Stadt Herten stehen, taucht vermehrt (rassistische) Hate Speech – hasserfüllte Sprache im Internet – auf.

Ohne eine entsprechende Ahndung werden so rechtsextreme, rassistische und menschenfeindliche Äußerung salonfähig gemacht.

Gemeinsam mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen wollen wir lokal in Herten dokumentieren wie und wo dieses Phänomen auftritt. Dafür werden auch Kommentare überregionaler Medien und Internetangebote als weitere Quellen genutzt.

Gemeinsam mit allgemeinen Informationen zu den Themen Hate Speech, Rassismus, Ausgrenzung und Rechtsextremismus sollen die im Projekt gemachten „Funde“ veröffentlicht werden. Die Ergebnisse werden didaktisch und künstlerisch aufbereitet, um ein stimmiges und informatives Gesamtbild zu erzielen. In diesem sollen beispielsweise auch Videosequenzen erscheinen.

Aus diesen Arbeiten stellen wir eine multimediale Ausstellung zusammen, die in Herten gezeigt werden kann und auch online verfügbar ist. Die Ausstellung wird mit einer Auftaktveranstaltung eröffnet und dann mehrere Wochen zu festgelegten Zeiten für Besucher*innen zugänglich sein.“